Rede des Fraktionsvorsitzenden Steffen Andreae zum Haushalt 2013

Im Frühjahr diesen Jahres haben wir zum Teil kontrovers, zum Teil in gutem Dialog ein Haushaltssicherungskonzept erarbeitet. Dieses hat nun Eingang gefunden in diesen Haushalt. Für jeden sind Kröten dabei, die es zu schlucken gilt. Für uns natürlich die Kröte „Erhöhung der Kitagebühren“. Wir haben dennoch – unter gewissen Bedingungen – unsere Zustimmung zum Haushalt signalisiert.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um Möglichkeiten und Ideen zu skizzieren, die uns in Zukunft ein kleines bisschen handlungsfähiger machen.

In Sachen Haushalt freue ich mich darüber, dass der Bürgermeister mit seinen öffentlichen Darstellungen des Haushalts hier versucht, einen Weg der Transparenz und der direkten Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger zu finden.

Aber:

Bei der letzten Veranstaltung vor ein  paar Wochen sind – wenn wir die Gemeindevertreter und Ausschussmitglieder abziehen – zehn Personen erschienen. Die Grüne Linke Liste Kaufungen bietet weiterhin an, gemeinsam zu überlegen, wie wir hier eine größere Resonanz erzielen können. Hier ist nämlich methodisch anzusetzen und ebenso bei der Werbung für die Veranstaltung. Wenn ein solcher Termin nicht an prominenter Stelle auf der Gemeindehomepage zu finden ist, dann wird eine Chance vertan.

Dabei ist die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger heute schon wichtig und wird auch die nächsten Jahre noch wichtiger werden, denn es wird keine Trendwende geben. Und das hat unter anderem mit Entwicklungen zu tun, für die wir überhaupt keine Verantwortung tragen, für die wir aber zu bezahlen haben. Unser Bürgermeister hat auf die Zusammenhänge zwischen Finanzkrise und der Finanzkraft der Kommunen schon hingewiesen. Herr Brüderle von der FDP hat die kommende Entwicklung ebenfalls klar benannt. Im Zusammenhang mit den Hilfsgeldern für Griechenland meinte er – und widersprach damit Frau Merkel und Herrn Schäuble:

„Zur Redlichkeit gehört dazu, zu sagen, das (also die Zahlungen an Griechenland) wird nicht mit Null abgehen.“ Zu einer Stunde X würden die Rettungsmaßnahmen die Deutschen auch Geld kosten.

Damit sind wir gemeint. Damit ist Kaufungen gemeint. Und genau deshalb ist es wichtig, dass wir uns gelegentlich mit Themen beschäftigen, die scheinbar nichts mit uns zu tun haben.

Ich bleibe auch noch kurz beim Blick über den Tellerrand:

Dass SPD und CDU weiterhin der Ansicht sind, dass Wirtschaftswachstum die Lösung ist, das wissen wir. Dass Bündnis90/Die Grünen mittlerweile nichts anderes mehr sagen, das erschreckt. Hinter dem sogenannte Green New Deal steckt keine andere Philosophie.

Das bedeutet: Lösungen für die Kaufunger Finanzsituation entwickeln wir hier. Wir müssen sie hier entwickeln. Die Kaufunger Abgabenlast wird weiter steigen. Jahr für Jahr werden wir mehr Geld abführen müssen. Es ist weder eine Wende noch ein Ende in Sicht. Es ist ein großes Problem, dass wir uns hierbei in der Analyse nicht einig sind. Es ist schade, dass wir nicht gemeinsam Fachleute hierher einladen und diese unterschiedlichen Sichtweisen diskutieren. Natürlich kommen wir auf verschiedene Lösungsideen, wenn die eine Person sagt: „Das Wachstum steht kurz bevor.“ und die andere Person meint „weiteres Wachstum ist schädlich“ und die dritte „es wird kein weiteres Wachstum geben.“ Eine Auseinandersetzung darüber gehört nicht nur nach Berlin, nicht nur nach Wiesbaden, sondern hier her: Nach Kaufungen.

Wie könnten sie nun aussehen, Kaufunger Lösungen?

Die Grüne Linke Liste Kaufungen will mit einem Bürgerhaushalt enger mit den Bürgerinnen und Bürger in Kontakt treten. Gemeinsam sollten wir überlegen, wo und wie wir die kommenden Belastungen verteilen können. Dieser enge Dialog hat nichts mit Wahlen zu tun und auch nicht damit, dass eine Gemeindevertretersitzung öffentlich ist. Sondern es hat damit zu tun, wie es uns gelingt, in einen dauerhaften und ständigen Dialog zu treten. Wir müssen sparen, wir müssen einschränken und es wäre gut, wenn wir das gemeinsam entwickeln. Wir müssen auch ehrlich sein und Räume finden, wo wir mit den Bürgerinnen und Bürgern darüber reden können. Auch das mit Bauchschmerzen verabschiedete Haushaltssicherungskonzept wird nicht ausreichen, wir werden in Kürze nachlegen müssen und weiter einschränken.

Wir werden in den nächsten Jahren darüber reden, ob wir die Bibliothek in Oberkaufungen schließen, denn drei Standorte können wir uns nicht leisten. Wir werden kein neues Jugendzentrum bauen und da sind die Räume der Bibliothek im Bürgerhaus möglicherweise sinnvoll für eine leichte Erweiterung zu nutzen. Unabhängig davon, dass wir uns zuerst einmal auf ein gemeinsames Wohin verständigen sollten.

Wir sollten uns auch mit den über 400.000 € beschäftigen, die in die Straßenbahnanbindung fließen. Die Straßenbahn ist für Kaufungen zentral, das ist überhaupt keine Frage. Aber zu viele Bereiche in Kaufungen, in den alte Menschen leben und in denen auch junge Familien mit Kindern wohnen, haben vom öffentlichen Personennahverkehr nicht so viel. Die zunehmende Finanzbelastung wird sich auch darin äußern, dass nicht mehr alle Menschen Zugang zu einem Auto haben. Die steigenden Spritpreise werden ihr übriges dazu tun.

Daher werden wir im kommenden Jahr das Thema Straßenbahn und öffentlicher Nahverkehr und Carsharing in die Planungskommission holen. Diese soll sich ja „besonders unter dem  Aspekt des demographischen Wandels mit der Weiterentwicklung Kaufungens“ beschäftigen.

Ich habe die Fraktionsvorsitzenden aller Fraktionen schon vor einem Jahr darüber informiert, dass Göttingen die Mitglieder der Gemeindevertretung mit ipads ausgestattet hat. Und ein halbes Jahr später habe ich auch darüber informiert, wie viel Geld die Stadt Göttingen dadurch real eingespart hat. Wenn wir im kommenden Jahr wieder im umgebauten Bürgersaal tagen, dann haben wir dort die Technik, die es uns ermöglicht, ebenfalls mit neuen technologischen Möglichkeiten zu arbeiten. Das sollten wir ohne Scheuklappen und ohne Angst vor einem technologischen Schritt auch tun. Insbesondere, aber auch nur dann, wenn wir damit Geld einsparen können, welches wir z.B. besser bei der musikalischen Früherziehung verwenden sollten. Aber nur weil hier im Haus noch nicht alle mit Computern arbeiten, sollten wir nicht allen einmal in der Woche Papierberge zusenden. Dann hätten auch alle Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter die Anträge der letzten Sitzung rechtzeitig erhalten und niemand wäre darauf angewiesen, ob irgendeine Mail beim Fraktionsvorsitzenden angekommen ist oder nicht.

Auch die Einnahmeseite liefert noch Spielraum.

Vor einem Jahr hatten wir beantragt, 500.000 € für ein interkommunales /
genossenschaftliches Energieerzeugungswerk in den investiven Bereich einzustellen, mit dem Ziel, die Einnahmesituation dauerhaft und nachhaltig zu erhöhen. Vor einem Jahr wurde das als nicht ausgereift bezeichnet, was wir überhaupt nicht bezweifelt haben. Mittlerweile haben wir ein Gemeindewerk beschlossen, wir haben eine aktive Bürgerenergiegenossenschaft und mit den Stadtwerken Kassel einen guten und starken Partner. Wir haben unter anderem die Stadtwerke  gefragt, ob es möglich ist, 500.000 € bei der Bank zu leihen und bei den Stadtwerken zum Beispiel in Windkraft zu investieren. Klar ist das möglich und – auch wenn wir da kein Brief und Siegel drauf bekommen – wird davon ausgegangen, dass eine solche Investition sich für uns rechnet und Geld in die Kasse spült. Wir stellen diesen Antrag heute nicht erneut, sondern laden Sie dazu ein, gemeinsam darüber zu diskutieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

natürlich komme ich noch auf Bad Sooden-Allendorf zu sprechen. Mal wieder geht ein Gespenst um. Die Menschen gehen auf die Straße und das ist gut so. Im Grunde ist der Widerstand gegen die Pferdesteuer eine optimale Gelegenheit auf die Finanzmisere der Kommunen hinzuweisen.

Jürgen Herwig aus Hessisch Lichtenau denkt darüber nach. Wilhelm Gebhard, sein CDU Kollege aus Wanfried hat die Pferdesteuer auch schon im Visier. In Bad Sooden Allendorf haben sich fraktionsübergreifend Befürworter gefunden. Die Folgen des kommunalen Schutzschirmes machen sich bemerkbar. Was besteuerbar ist, wird besteuert. Alternativen dazu sind natürlich denkbar. Wie wäre es mal mit der Umverteilung von Vermögen? Die Pferdebesitzer in Kaufungen können aufatmen, hier sitzt der Widerstand gegen diese Steuer in der Vertretung. Die Frage, die wir stellen müssen, lautet: Sind wir von der Pferdesteuer weiter entfernt als vom kommunalen Schutzschirm?

Sie haben es sicherlich der Zeitung entnommen, dass in der Gemeinde Nieste überlegt wird, auf der Rotten Breite eine Übernachtungsmöglichkeit zu schaffen. Ich war sehr verwundert, dass diese Idee erst jetzt an die Öffentlichkeit gelangte. Noch vor einem Jahr hat Edgar Paul dafür gesorgt, dass ich – aus privaten Gründen – die Unterlagen über die Rotte Breite zur Verfügung gestellt bekam. Darüber war ich verwundert, da ich nicht verstehen konnte, warum die Gemeinde Nieste sich nicht diese Einnahmen erschließen mag. Wie sie auch, weiß ich, dass es hier Bedarf gibt und daher sollten wir überlegen, ob wir hier für Kaufungen etwas Gutes leisten könnten. Die KWG und die GLLK haben das Thema „Hotel in Kaufungen“ immer wieder angesprochen. Das neue Baugebiet in der Mitte liefert diese Möglichkeit.

„Wenn Sie einen Investor finden, dann kann der doch hier auch seine Pläne für ein Hotel abliefern“ wurde mir gesagt. Ich will aber, dass wir darüber diskutieren, ob wir ein Hotel wollen und was es uns bringt und ob wir Chancen darin sehen und wenn ja, welche. Ich möchte mich gar nicht von den Ideen eines Investors abhängig machen, sondern ich möchte, dass wir die Planungen eines Investors von unseren Ideen abhängig machen. Wir benötigen eine gemeinsame Vorstellung davon, wo Kaufungen hin soll. Und bestensfalls entwickeln wir das gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern.

Ich komme zum Schluss:

  • Ziemlich hoffnungslos ist die Situation, wenn wir weiterhin daran glauben, dass sich irgendwann Wirtschaftswachstum einstellt und dann wieder Geld vorhanden ist.
  • Hoffnungsvoll ist die Situation, wenn wir gemeinsam überlegen, wohin die Reise gehen soll.
  • Hoffnungsvoll ist die Situation, wenn wir die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Kompetenzen einbinden in die Prozesse.
  • Hoffnungsvoll ist die Situation, wenn wir mit Phantasie die Zukunft gestalten, wenn wir die Argumente der anderen wohlwollend anhören und gemeinsam die verschiedenen Ideen diskutieren.

Es ist nicht unsere Aufgabe, an den Herausforderungen zu scheitern.